Dr.-Ing. Dmytro Rassokhin kann seine Forschung aus Mariupol dank EFDS-Stipendium mit Unterstützung der HTWK Leipzig fortsetzen
Eigentlich wäre Dr.-Ing. Dmytro Rassokhin jetzt Studiendekan an der Fakultät für Ingenieurs- und Sprachqualifikation der Priazovsky Staatlichen Technischen Universität in Mariupol, Ukraine. Den Posten hatte er erst im September 2021 angetreten.
An der Technischen Universität in Mariupol war er bereits seit seinem Studium tätig. Dmytro Rassokhin absolvierte 2010 sein Bachelor-Studium „Technische Mechanik“ mit Auszeichnung, 2011 sein Master-Studium in „Ingenieurstechnologie“ und begann noch im selben Jahr mit seiner Dissertation. Seinen Doktor der Ingenieurwissenschaften erhielt er Ende 2015 mit einer Dissertation zum Thema „Verbesserung der Qualität von lokal mikrolegiertem Metall unter Schlackenschalen“ an der Nationalen Metallurgischen Akademie der Ukraine in Dnipropetrowsk. Dmytro Rassokhin blieb seiner Technischen Universität Mariupol treu und arbeitete nach seiner Promotion seit 2015 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent an der Fakultät für Maschinenbau und Metallschweißen. Er lehrte zu Themen wie Gerätezuverlässigkeit und mathematische Modellierung und forschte zur Berechnung und Modellierung (SolidWorks, ANSYS) komplexer Systeme wie der Restaurierung von Geräten und Maschinenelementen. Rassokhins Arbeitsgruppe entwickelte zudem Verbundmaterialien, mit dem Ziel der Erhöhung der Widerstandsfähigkeit gegen Verschleiß. Im September 2021 übernahm er darüber hinaus die Aufgaben des Studiendekans der Fakultät für Ingenieurs- und Sprachqualifikation.
Doch mit dem Einfall der russischen Armee in die Ukraine am 24. Februar 2022 endete nicht nur seine wissenschaftliche Karriere abrupt. Für Dr.-Ing. Rassokhin, Ehemann und junger Vater einer kleinen Tochter, begann eine Odyssee. Die monatelange Belagerung und brutale Eroberung von Mariupol forderte tausende zivile Opfer und geht als Kriegsverbrechen in die Geschichtsbücher ein. Seit Mai 2022 ist die Stadt, von der mehr als 90 Prozent aller Gebäude zerstört wurden, offiziell von Russland okkupiert. Für Zivilisten war die Flucht seit Kriegsbeginn im Februar 2022 fast unmöglich. Mariupol stand von Beginn an unter Beschuss und selbst ausgehandelte Evakuierungsrouten wurden rigoros angegriffen.
Die junge Familie Rassokhin schaffte es glücklicherweise raus aus Mariupol und kam im Mai 2022 in Leipzig an. Kaum in Deutschland angekommen bewarb Dr.-Ing. Rassokhin sich initiativ bei der HTWK Leipzig für eine Stelle im Forschungsbereich und fand sofort Gehör und Unterstützung.
Wegen seiner Lehr- und Forschungstätigkeit im Bereich der Verbundwerkstoffe war die Fakultät Ingenieurwissenschaften die richtige Anlaufstelle für ihn und so landete seine Bewerbung bei Prof. Robert Böhm, Inhaber der Professur Leichtbau mit Verbundwerkstoffen. Prof. Böhm konnte Dr. Rassokhin Dank einer Unterstützung durch das Forschungs- und Transferzentrum Leipzig e.V. als Wissenschaftlichen Mitarbeiter zunächst für ein halbes Jahr in seiner Forschungsgruppe an der HTWK Leipzig aufnehmen. Prof. Böhm und sein Team loteten anschließend gemeinsam mit Dmytro Rassokhin weitere Fördermöglichkeiten aus.
Für durch den Ukraine-Krieg vertriebene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler legte unter anderem die Europäische Union bereits im März 2022 besondere Fonds zur Stipendienvergabe an. Auch viele deutsche Forschungseinrichtungen und Institutionen haben eigene Hilfsprogramme für Geflüchtete aufgelegt.
Prof. Böhms Team beantragte für Rassokhin in Berlin ein EFDS*-Stipendium bei ALLEA, der European Federation of Academies of Sciences and Humanities. Mit diesem EU-Fonds soll es wissenschaftlichen Einrichtungen ermöglicht werden, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aufzunehmen, damit diese ihre eigenen Forschungsarbeiten in einem sicheren Umfeld fortführen können. Kurz vor Weihnachten kam dann der positive Bescheid aus Berlin.
Seit Januar 2023 ist Dr.-Ing. Dmytro Rassokhin Dank dieses EFDS-Stipendiums als Gastwissenschaftler im Team von Prof. Böhm aktiv und kann seine eigene Forschung zur Entwicklung und Verbesserung von Verbundwerkstoffen als Schutzbeschichtung für kavitationszerstörte Teile an der HTWK Leipzig fortsetzen.
„Als weltoffene Hochschule ist es für uns selbstverständlich Dr. Dmytro Rassokhin in dieser Situation zu unterstützen und ihm die Fortführung seiner Forschungsarbeit an der HTWK Leipzig zu ermöglichen. Die Zusammenarbeit mit Dr. Rassokhin ist hervorragend und auch unser Forschungsbereich profitiert direkt von seiner Arbeit.“, betont Prof. Robert Böhm.
*European Fund for Displaced Scientists
Informationen zum EFDS-Stipendium: https://allea.org/efds-funding-line-1/?cn-reloaded=1
Weitere Informationen zur Belagerung von Mariupol 2022: https://de.wikipedia.org/wiki/Belagerung_von_Mariupol